Sortimentssteuerung: Fakten statt Bauchgefühl

Verkaufszahlen, Trends, Retourenquote, Absprungrate: Kennzahlen können dabei helfen, das Sortiment eines Online-Shops permanent zu optimieren. Wie die kennzahlengestützte  Sortimentssteuerung in der Praxis funktioniert, zeigt dieser Artikel.

Bei der Auswertung von Online-Marketing-Kampagnen und Usability-Tests des Shop-Frontends setzen die meisten Shop-Betreiber auf Fakten. Analyse-Tools wie Google Analytics machen es möglich, exakt zu bestimmen, wie erfolgreich die AdWords-Kampagne A und die Google-Shopping-Kampagne B gewesen ist. Zudem lässt sich für jede Seite im Shop die Absprungrate messen. So kann exakt dargestellt werden, wie viele Besucher an welcher Stelle des Check-outs abbrechen. Die ermittelten Daten helfen dann dabei, Schwachstellen im Shop aufzuspüren. Durch den direkten Vergleich mit den Daten nach einem Re-Design lässt sich anschließend kontrollieren, ob die Veränderung den gewünschten Erfolg hatte oder nicht.

Bei der Webanalyse vertrauen Online-Händler also nicht ihrem Bauchgefühl, sondern nur den nackten Zahlen. Anders sieht es jedoch bei der Sortimentssteuerung und Lagerplanung aus. Hier setzen Shop-Betreiber nur teilweise die Daten, die im Betrieb gesammelt werden, bei der Entscheidungsfindung ein. „Oftmals werden zu wenig Datenquellen genutzt. Gleichzeitig ist die Datenerfassung- und Datenanalyse nicht gut genug miteinander verknüpft. Und am Ende werden aus den erhobenen Daten keine Handlungsmaßnahmen abgeleitet und umgesetzt“, erklärt Nils Seebach, Gründer des Beratungsunternehmens eTribes sowie Gründer und Geschäftsführer von Spryker Systems.

Die wichtigsten Datenquellen

Datenquellen, die wichtige Kennzahlen zur Sortimentssteuerung liefern können, gibt es in einem Online-Shop jede Menge:

  • Webanalyse-Tool
  • Shop-Software
  • ERP
  • CRM-Software

Tatsächlich nutzen viele Online-Shops aber nur wenige dieser Daten. Dabei ist gerade die Verknüpfung der E-Commerce-Daten mit denen der klassischen Finanzbuchhaltung von entscheidender Bedeutung, wie Seebach erklärt: „So ist für die Sortimentssteuerung nicht nur die Rohmarge (Umsatz – Wareneinsatz) von Relevanz, sondern das, was am Ende wirklich übrig bleibt. Also das, was nach Abzug aller direkten und indirekten Kosten je Produktklasse als Deckungsbeitrag unterm Strich steht. Die Einbeziehung der Retouren sollte sowieso eine Selbstverständlichkeit sein.“

Im nachfolgenden diesem fiktiven Beispiel eines Controlling-Dashboards wird die Margenentwicklung der Sortimente im Marketingkanal Google AdWords auf einen Blick ersichtlich und es können entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

screenshot-dashboard1

Online-Händler sollten zur Sortimentsplanung also möglichst alle relevanten Daten und auswerten. Dabei sind vor allem die folgenden Kennzahlen aus dem Web-Controlling für die Planung entscheidend:

    • Umsatz je Kategorie, besser je Produktgruppe (z.B. Kategorien zweiter Ebene)
    • Umsatz je Hersteller, Lieferant
    • Anzahl Verkäufe je Kategorie
    • Renner / Penner-Produkte, idealerweise je Kategorie
    • Anzahl verkaufte Produkte (welche Artikel bringen die meisten Kunden?)
    • Ø Retourenquote je Kategorie
    • Ø Konversionsrate je Kategorie
    • Ø Warenkorbhöhe je Kategorie
    • Anzahl Visits je Kategorie
    • Ø Bounce Rate je Kategorie

Damit die kennzahlenoptimierte Sortimentsplanung optimal funktionieren kann, sollten die folgenden beiden Aspekte unbedingt berücksichtigt werden:

  • Die Daten werden periodisch ausgewertet. Nur so kann sichergestellt werden, dass Trends, die für die Planung von großer Bedeutung sind, erkennt werden können.
  • Alle Mitarbeiter sollten Zugang zu den aktuellen Kennzahlen bekommen und motiviert werden, eigene Vorschläge zur Sortimentsplanung einzubringen. So könnte beispielsweise die Service-Abteilung bei der vom Vertrieb geplanten Einführung von neuen Produkten eines Herstellers darauf hinweisen, dass es beim Vorgängermodell massive Kundenbeschwerden aufgrund der mangelnden Qualität gegeben habe. Da diese erst nach einiger Benutzungszeit sichtbar wurde, zeigt sich diese Tatsache nicht in einer erhöhten Retourenquote.

In der Praxis findet solch eine Zusammenarbeit im Unternehmen nur selten statt, stellt Seebach fest: „Es gibt Zahlensilos, die von Controllern verwaltet werden, welche dann wiederum separate Reports für die einzelnen Bereiche anfertigen. Dies geschieht aus der Angst heraus, die Mitarbeiter mit der gesamten Datenmenge zu überfordern und aus überholten Abschottungsmechanismen.“

Ständig den Markt beobachten

Wichtig sind bei der Sortiments- und Lagerplanung natürlich nicht nur shopinterne Daten. Um Trends frühzeitig aufzuspüren und zukünftig nachgefragte Produkte zu listen und zu bevorraten, ist eine permanente Marktbeobachtung notwendig. Hierzu sollten Shop-Betreiber die folgenden Quellen beobachten und auswerten.

  1. Google Trends: Hier kann das Suchvolumen zu möglichen Produkten und Kategorien abgefragt werden. Auch saisonale Schwankungen bei der Nachfrage lassen sich mit Google Trends leicht aufspüren.
  2. Wettbewerber-Check: Welche neuen Produkte bietet der Wettbewerb an? Welche Produkte werden in den Shops der Wettbewerber und via Google AdWords beworben?
  3. Nachfrage-Prognose: Um zu testen, wie Produkte, die möglicherweise ins Sortiment aufgenommen werden, im eigenen Shop nachgefragt werden, kann man sie „probelisten“ und bewerben. Statt einer direkten Kaufmöglichkeit können die Kunden sich aber nur registrieren, um sich informieren zu lassen, ab wann die Ware verfügbar ist.
  4. Preis- und Kosten-Analyse: Für alle neuen Produkte sollte vorab ein Preis-Check über alle Kanäle durchgeführt werden. Auch eine Überprüfung möglicher CPC-Kosten bei einer Bewerbung via AdWords sollte berücksichtigt werden.

Daten sammeln und auswerten

Die gesammelten internen und externen Daten sollten bei der Sortimentsplanung grundsätzlich berücksichtigt werden, um zu vermeiden, dass man das eigene Lager mit Produkten füllt, die sich nicht zu angestrebten Preis und in der erwarteten Stückzahl verkaufen lassen. Jede Fehlentscheidung kostet Geld. Zu viele Fehlentscheidungen können die Liquidität eines Online-Shops gefährden. Deshalb ist die Sortimentsplanung auch keine Aufgabe für das Bauchgefühl, sondern für knallharte Fakten. Doch lässt sich konkret beziffern, in welchem Maße Shop-Betreiber vom Umstieg auf eine kennzahlengesteuerte Sortimentsplanung profitieren? Hierzu meint Seebach: „Hier sind keine generellen Aussagen möglich, da dies immer auf die jeweiligen Unternehmen ankommt. Zu beobachten ist jedoch, dass alle erfolgreichen Händler sehr kennzahlengesteuert agieren – jeder der das nicht tut, wird sterben.“

Mehr zum Thema kennzahlengestützte Sortimentssteuerung finden Online-Händler im Artikel „Wichtige Kennzahlen für die Sortimentssteuerung aus dem Webcontrolling“ und im ausführlichen Experten-Interview mit Nils Seebach in der vierten Ausgabe des kostenlosen Online-Händlermagazins shopanbieter to go.